Im kommenden Jahr wird sich das Domainnamen-System (DNS) im Internet einen entscheidenden Schritt weiter entwickeln: Neben den bekannten Top-Level-Domains (TDL) wie .de, .com, .net und .org werden neue Adressendungen möglich. Ab Januar können Unternehmen, Organisationen oder Regionen sich für eine eigene Domain bewerben. Denkbar sind z.B. .berlin, .bayern oder .microsoft. Für die Einführung der neuen Domains ist die unabhängige Organisation ICANN (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers) zuständig, die sich auch um die allgemeine Verwaltung und Kontrolle der Top-Level-Domains kümmert. ICANN-CEO Rod Beckstrom, reist nun im September durch Europa, um über die Bedeutung der neuen Domains – vor allem für Unternehmen, Marken und Regionen – zu sprechen. Am 22. September lud er zu einer Podiumsdiskussion in Berlin. Mit auf dem Podium: Jamie Hedlund, Vice President of Government Affairs, ICANN und Oliver J. Süme, Deputy Chairman, eco.
Hier die wichtigsten Erkenntnisse für Sie zusammengefasst:
ICANN neutral
ICANN hat zwar die Einführung Neuer gTLD beschlossen, sieht sich aber als neutrale Organisation, die nicht für Neue gTLD werben möchte. Sie biete den Nutzern lediglich Optionen an, jeder müsse selber entscheiden und Kosten und Nutzen individuell abwägen.
Neue gTLD in Deutschland
Eco sieht durchaus einen Markt für neue gTLD in Deutschland. Der Erfolg einzelner gTLDs werde aber vom Business Modell abhängen. Für eine .brand sind z.B. die Nutzung als Marketing Instrument denkbar, oder auch die Abbildung der eigenen Unternehmensstruktur unterhalb der TLD, also z.B. von einzelnen Abteilungen oder auch Kunden und Lieferanten.
Hohe Anforderungen an die Bewerber
Die hohen Bewerbungsgebühren von schätzungsweise 185.000 USD erklärten sich mit der aufwendigen Evaluation der Bewerbungen. ICANN arbeite zum Selbstkostenpreis und erziele keine Gewinne durch den Bewerbungsprozess. Tatsächlich machen die ICANN Bewerbungsgebühren aber nur einen geringen Teil der tatsächlichen Kosten aus, die auf erfolgreiche Bewerber zukommen. Die Schätzungen der Kosten für den Betrieb einer Registry schwanken zwischen 2 Mio. USD (ICANN) und 500.000 – 1 Mio. EUR (eco).
Auch technisch müssen neue Registrare hohe Standards erfüllen und z.B. DNSSEC unterstützen.
Finanzielle Unterstützung für Bewerber
Für finanziell schwache Bewerber (z.B. Entwicklungsländer oder Non-Profit Organisationen) ist erstmals in der Geschichte von ICANN eine finanzielle Unterstützung vorgesehen. Das konkrete Prozedere muss allerdings noch erarbeitet werden und wird voraussichtlich beim nächsten ICANN Meeting in Dakar im Oktober 2011 diskutiert werden.
Schutz von Markenrechten
Der Schutz von Markenrechten wird sehr ernst genommen. Daher können Besitzer von Marken diese in der sog. Sunrise Periode sperren lassen (defensive registry), unabhängig davon, ob sie selber eine Neue gTLD beantragen wollen oder nicht. Außerdem wird es nach Ende der Bewerbungsperiode einen Zeitraum geben, in dem Markenbesitzer Einsprüche gegen Bewerbungen erheben können. ICANN bietet allen Marken, die sich im Vorfeld in einer Datenbank registriert haben an, sie zu benachrichtigen, falls jemand versucht, ihre Marke zu registrieren.
Fazit:
Trotz eines 300-seitigen Handbuches gibt es in diesem komplexen Programm selbstverständlich Fragen, die noch nicht bis ins Letzte geklärt werden konnten. Wie insgesamt in der Geschichte des Internets werden auch diesmal Überraschungen und Innovationen erwartet, und niemand kann genaue Prognosen abgeben, wie sich das Programm Neue gTLD entwickeln wird. Es bleibt spannend! Wir halten Sie auf dem Laufenden.